Tuesday, September 18, 2007

Ramadan

Seit Freitag ist hier also Ramadan. Das heisst das bei Tageslicht weder gegessen noch getrunken wird, alle Gedanken müssen "rein" sein und es wird noch viel mehr gebetet als sonst. Ich habe zwei Tage mitgefastet, allerdings nur aufs Essen verzichtet, denn ich halte es für relativ bescheuert bei bis zu 37 Grad den ganzen Tag lang nichts zu trinken. Nach 2 Tagen wars aber auch gut...
Ziel des Spiels ist einerseits spirituelle Annäherung an Gott, die Ablenkung vom Weltlichen, aber auch das Nachvollziehen des Lebens der Armen. Ramadan verändert das Leben in der Stadt insofern, dass nur noch bis 3.30 gearbeitet wird und sich dadurch auch die Rush Hour um 2 Stunden nach vorn verschiebt. Das ist für uns ganz angenehm, denn so können wir ganz entspannt zum Abendessen fahren während alle Bangladeshis vor einem prall gefüllten Tisch zu Hause sitzen und auf den Sonnenuntergang warten. Ein Bangladeshi Freund hat mir letztens erzählt, dass die zweite Ramadan Woche krass wird, weil dann die ersten Leute verrückt werden. Lulu wird das leider (?) nicht mehr erleben, da sie am Freitag nach Bangkok fliegt, aber ich werde berichten.

Die Religion erscheint mir mehr und mehr als Problem denn als Segen in Bangladesch. Ich bin zwar kein Islamexperte und kann auch die Gesellschaft hier nur beschränkt einschätzen, aber wenn ein sowieso unterernährtes Volk einen Monat lang tagsüber nichts isst, und noch viel schlimmer, nichts trinkt, kann das nur üble Folgen haben. Die kleinen Kinder sind zwar ausgeschlossen, aber ab 10 Jahren fasten sie mit. Auch das kann in meinen Augen nur negative gesundheitliche Folgen haben. In den Gesprächen mit den anderen Interns fallen uns immer wieder Probleme auf, die sich durch Kultur, Religion und Bräuche ergeben, die aber relativ leicht zu beheben wären. Thema Ernährung: Normal ist 3x am Tag Reis. Mittags warm, Abends und Morgens kalt. Manchmal gibt es dann noch Gemüse dazu, allerdings sehr lange gekocht. Natürlich ist in den meisten Fällen finanziell nicht mehr (z.B. Fleisch) drin, aber es gibt lokale Gemüsesorten die günstig verfügbar und sehr nährreich sind. Die sind aber nicht sehr populär, da Wissen über Nährwerte etc sehr wenig verbreitet ist. Wenn sich aber dann jemand, grade kleine Kinder, ausschliesslich durch Reis ernähren, kann ja keine normale Entwicklung folgen.

Ein anderes, schockierendes Phänomen in Dhaka sind die Bettler. Auch darüber habe ich mich lange mit einigen Bangladeschis unterhalten. Es gibt mehr oder weniger organisierte Strukturen unter den Bettlern. In manchen Fällen ist es offensichtlich, z.B. hab ich schon einige Male mitbekommen, dass Mütter ihre Kinder in meine Richtung schubsen. Auch ähneln sich die Bettler sehr stark. Oft ist es ein kleines Kind, zw vier und sechs Jahren alt, mit einem Baby auf dem Arm. Auch wenn es nicht direkt sichtbar ist, sind wohl irgendwelche Chefs in der Nähe. Das müssen nicht immer die Eltern sein, in einigen Fällen werden wohl Kinder aus Dörfern entführt und dann in Dhaka zum Betteln eingesetzt.
Auch weit verbreitet sind Verstümmelungen. Es gibt Unmengen an Leuten aus allen Altersklassen, denen die Hand, der Unterarm oder ein Bein fehlt, bzw sich eine Extremität irgendwie schief entwickelt hat. Auch das kommt wohl nicht von Ungefähr. Angeblich werden manchen Neugeborenen für mehrere Monate ein Arm auf den Rücken gebunden, um diese Behinderung hinzubekommen, anderen werden Körperteile abgehackt.

Wenn ich in Gesprächen mit Locals oder aus den Medien hier so etwas erfahren, bleibt mir immer wieder mal die Luft weg. Der Gedanke, dass eine Mutter oder ein Vater seinem eigenen Kind eine Behinderung zufügt, damit es beim Betteln mehr rausholen kann, ist einfach zu krass und nicht in Worte zu fassen.

Insofern ist das Leben in Dhaka jeden Tag wieder eine Herausforderung, aber mittlerweile, nach einer Eingewöhnungsphase, läuft es ganz gut. Klar, irgendwo ist es immer ein Kampf, aber das war ja relativ absehbar. Und es gibt auch immer mehr Momente, in denen es einfach Spass macht, hier zu sein, das Chaos mitzuerleben und ein Teil davon zu werden.

No comments: